Eine Frage des Standpunkts
Lukas 6,47-49:
„Wisst ihr, mit wem ich einen Menschen vergleiche, der meine Worte hört und danach handelt? Er ist wie ein Mann, der sich ein Haus bauen wollte. Zuerst hob er eine Baugrube aus, dann baute er die Fundamente seines Hauses auf festen, felsigen Grund. Als ein Unwetter kam und die Fluten gegen das Haus brandeten, konnte es keinen Schaden anrichten, denn das Haus war auf sicherem Grund gebaut. Wer sich meine Worte allerdings nur anhört und nicht danach lebt, der ist wie einer, der beim Bauen auf das Fundament verzichtet und sein Haus auf weichen Boden baut. Bei einem Unwetter unterspülen die Fluten sein Haus, und es stürzt ein. Übrig bleibt nur ein Trümmerhaufen.“
Dieses Gleichnis Jesu ist altbekannt. Mit dieser Aussage schließt Jesus im Matthäusevangelium seine Bergpredigt (Matthäus 5-7) ab. Im Lukasevangelium wird die kürzere Version als Feldrede bezeichnet.
Also, wer den Aufforderungen Jesu durch sein Tun nachkommt, ist klug!
Allerdings habe ich manchmal den Eindruck, dass diese doch eigentlich eindeutige Aussage Jesu immer wieder missgedeutet und auch missbraucht wird. Man redet zwar vom Fundament, aber letztlich wird die Bauweise des Hauses in den Mittelpunkt gestellt. Das fängt schon bei manchen Bildergeschichten in den Kinderbibeln an. Da wird ein festes Steinhaus mit einem Bretterverschlag verglichen. Aber in dem Gleichnis wird nicht ein Wort über den Zustand des Gebäudes verloren, sondern der unterschiedliche Untergrund wird gegenübergestellt. Denn es ist doch der Fels, der verhindert, dass das Haus einstürzt, und nicht die Bauweise des Hauses selber.
Um das Bild weiter auszubauen: Jesus ist die Grundlage, denn wie es auch in 1. Korinther 3,11 steht: „Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus.“ Auf Ihn stützt sich alles. Er stützt und hält alles. Es gibt mehrere Bedeutungen des Wortes Fundament. Im Bauwesen ist es der Unterbau eines Gebäudes. Bei der figürlichen Bedeutung ist es die Grundlage von etwas. Im lateinischen Text wird hier auch der Ausdruck eines Steinfundamentes gebraucht. Das lateinische Wort fundamen hat die deutsche Bedeutung Grund, Grundstein, Grundfeste und/oder Grundlage. Jesus ist die Grundlage, auf die sich alles beruft. Das kommt auch in dem Lied von Karl Eisele zur Geltung. Im roten „Gemeindelieder“-Buch der Freien evangelischen Gemeinden unter der Nummer 114 fängt jede Strophe mit „Herr Jesu, Grundstein der Gemeinde, …“ an. In Strophe drei geht es dann weiter: „… wir wollen bauen nur auf dich. Was wir auf dich, den Fels gebauet, das bleibt gebauet ewiglich. Wohl mögen Stürme drübergehn, es wird dies alles überstehen.“ Der Autor hatte da ganz bestimmt dieses Gleichnis im Sinn.
Was aber ist denn dann das Haus, welches auf dem Fundament steht? Ich denke, dieses Gebäude symbolisiert meinen Alltag, welchen Frömmigkeitsstil ich lebe, wie ich mein Leben mit Jesus gestalte, also alles, was mir persönlich dient, auf dem Fundament aufzubauen. Bei dem Einen kann das schon ein richtiger Palast werden, bei dem Anderen ist es ein Bungalow, eine Berghütte, ein Zelt oder einfach ein Bretterverschlag. Und das Besondere daran? Alle Bauwerke haben dasselbe Fundament. Das ist Gemeinde! Das ist die Vielfalt in der Einheit! Was eint, ist die Basis, und obendrauf können wir die Verschiedenheit des Anderen genießen. Sie kennen doch die Redeweise: “My home is my castle“. Um noch mal auf das Lied zurückzukommen: Können Sie es ertragen, dass die vermeintliche Bretterbude ihres Nächsten genauso standhält wie ihr vermeintlicher Palast, wenn die „Stürme drübergehn“?
Also, es stellt sich die Frage, worauf ich in meinem GLAUBEN(s)LEBEN den Schwerpunkt setzte, worauf ich den Blick richte. Erlange ich meine „Heiligung“, also das Wachstum, die Entwicklung des Glaubens durch meine Ausrichtung und Hinwendung zum Fundament oder durch die Bauweise meines „Glaubenshauses“? Und im Blick auf meine Mitmenschen? Liegt es mir daran, Ihnen eine Hilfe bei der Standortfestlegung zu sein oder ist es mir wichtiger, meinen persönlichen Geschmack in Fragen der Bauweise aufzubürden? Im Gleichnis fragt Jesus: „Wisst ihr, mit wem ich einen Menschen vergleiche, der meine Worte hört und danach handelt?“ Die Antwort ist doch, dass sein Wort, seine Anweisungen die Grundlagen des Glaubens darstellen. Das ist die Herausforderung für jeden von uns, dass wir immer wieder darum ringen, seinen Willen zu erkennen, und nicht unsere Vorstellungen mit Gottes Willen verwechseln. Immer, wenn wir unseren Ansichten mehr Raum geben und sie zu Gottes Ansichten umgestalten wollen, beginnen wir, dem Hausbau mehr Bedeutung zuzumessen als der Unterlage.
Ermuntern wir uns doch gegenseitig, auf dem gemeinsamen Fundament die Vielfalt der Baukunst zu genießen!
Bestärken wir uns doch gegenseitig die Andersartigkeit des Anderen zu schätzen und lieben zu lernen, als Ergänzung zu erfahren und nicht als Bedrohung!
Paulus hat uns dazu im Epheser-Brief 4,2 ein ermutigendes Wort Gottes vermittelt: „Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe!“ Wenn wir mit der Umsetzung dieser Aufforderung Gottes beginnen, dann werden wir den Psalm 62,7: „ER ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, dass ich nicht fallen werde“ voll auskosten können!
© M. Hofmann